05. August 2021 Cyril Hausin

«Klima-Notfall»: Tausende Wissenschaftler schlagen Alarm

Ich möchte hier erstmals ein äusserst eindrücklicher Bericht von t-online.de vom 28.7.21 posten. Thematisiert wird der Klimawandel und dessen «nicht-lebbaren» Folgen:

Bereits 2019 warnten tausende Wissenschaftler aus 150 Ländern vor dem «Klima-Notfall». Nun wiederholten sie ihren Appell: Die Menschheit muss ihr Verhalten rasch ändern.

Rund zwei Jahre, nachdem mehr als zehntausend Wissenschaftler aus rund 150 Ländern gemeinsam einen weltweiten «Klima-Notfall» erklärt hatten, haben sie diesen nun erneut betont und sofortige Veränderungen gefordert.

Diese Veränderungen seien dringlicher denn je, um das Leben auf der Erde zu schützen, heißt es in einem im Fachjournal «BioScience» veröffentlichten Artikel. Zu den ursprünglich rund 11.000 Wissenschaftlern, darunter 871 Forscher deutscher Universitäten und Institute, seien noch einmal mehr als 2.800 weitere Unterzeichner hinzugekommen.

2020 zweitheißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

Seit der ursprünglichen Erklärung des «Klima-Notfalls» 2019 hätten zahlreiche Ereignisse wie Flut-Katastrophen, Waldbrände und Hitzewellen deutlich gemacht, welche Konsequenzen es habe, wenn auf der Erde einfach weitergemacht werde wie bisher, hieß es. 2020 sei beispielsweise das zweitheißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen. Im April 2021 sei die Kohlendioxid-Konzentration in der Erdatmosphäre so hoch gewesen wie noch nie seit Beginn von Messungen. Die Forscher fordern unter anderem ein absehbares Ende der Verwendung von fossilen Brennstoffen sowie einen besseren Schutz der Artenvielfalt.

«Die extremen Klima-Ereignisse und Muster, die wir in den vergangenen Jahren – und sogar nur in den vergangenen Wochen – beobachtet haben, unterstreichen die gestiegene Dringlichkeit, mit der wir die Klimakrise angehen müssen», erklärte Ko-Autor Philip Duffy vom Woodwell Climate Research Center im US-Bundesstaat Massachusetts.

«Wir müssen unser Handeln rasch ändern»

«Es gibt wachsende Anzeichen dafür, dass wir uns Wendepunkten von verschiedenen Systemen der Erde – wie den Warmwasser-Korallenriffen, dem Amazonas-Regenwald und der Eisdecke der West-Antarktis und Grönlands – nähern oder diese sogar schon überschritten haben», betont Ko-Autor William Ripple von der Oregon State University. «Wir müssen unser Handeln rasch ändern, und Klima-Vorgaben sollten Teil der Corona-Wiederaufbaupläne sein, wo immer das möglich ist.»

Bereits 2019 hatten die Wissenschaftler gewarnt: Wenn sich das menschliche Verhalten, das zu Treibhausgasausstoß und anderen den Klimawandel begünstigenden Faktoren führt, nicht grundlegend und anhaltend verändere, sei «unsägliches menschliches Leid» nicht mehr zu verhindern. Zwei Jahre davor hatten Wissenschaftler bereits einen ähnlichen Beitrag initiiert.

hier finden Sie den Originalartikel.

 

Ein weiterer Artikel von t-online.de von heute, dem 5.8.21 beschreibt die aktuelle Hitzewelle im Südosten Europas:

Das Inferno ist da

Die Luft schmeckt wie Pudding. Jeder Atemzug kostet Anstrengung. Die Haut fühlt sich an, als würde sie geröstet. Jeder Schritt ist mühsam, das Denken wird zu einem zähen Brei, der zu einem einzigen sehnsüchtigen Gedanken gerinnt: trinken! Wer dann keine Wasserflasche zur Hand hat und keinen Schatten findet, empfindet Verzweiflung, die sich binnen Minuten zur Panik steigern kann: Ich muss hier weg!

So fühlt es sich an, wenn man mehr als 50 Grad Celsius ausgesetzt ist. Die Hitze traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht, als ich vor 16 Jahren durch die libysche Wüste fuhr. Bei geöffneten Autofenstern und Fahrtwind war sie erträglich, aber als der Jeep dann stehen blieb, als ich ausstieg und in die gleißende Sonne trat, da erlebte ich am eigenen Leib, welche brutale Wirkung die Sonne entfalten kann, wenn sie einen Landstrich aufheizt. Selbst wenn mal ein paar Regentropfen fallen, verdunsten sie augenblicklich, der benetzte Boden bricht wie eine Kruste auf, jedes Pflänzlein verdorrt.

Was ich vor 16 Jahren in der Sahara erfuhr, könnten wir bald auch in Europa erleben. Die Erderhitzung beschert uns immer öfter Extremwetter, die Durchschnittstemperaturen klettern höher und höher, und wir tun viel zu wenig dagegen. Die Menschen in den Mittelmeerländern bekommen in diesen Tagen einen Vorgeschmack von dem Inferno, das nicht nur Afrikanern, Amerikanern und Australiern, sondern auch uns Europäern bald regelmäßig droht. In Griechenland werden 47 Grad Celsius gemessen, ganze Landstriche verdorren. Schon der Funke einer Zigarette genügt, um eine Flammenhölle zu entfachen. In den Vororten von Athen wüten Wald- und Buschbrände, beißender Qualm durchzieht die Stadt, Ascheflocken wirbeln durch die Luft. Auch auf dem Peloponnes und auf Urlaubsinseln wie Rhodos und Kos brennt es lichterloh, Hunderte Häuser sind in Flammen aufgegangen. «Es ist ein Albtraumbrand», sagt Regierungschef Kyriakos Mitsotakis.

In der Türkei ist die Lage ebenfalls außer Kontrolle geraten. An der Westküste lodern zahlreiche Brände, einige bedrohen Touristenhotels, ein anderer erfasst ein Kohlekraftwerk. «Die Situation ist sehr ernst», warnt der Bürgermeister der Stadt Milas nahe der Ägäis. In Italien hat die Region Molise wegen der Buschfeuer den Notstand beantragt. In Sizilien kämpfen Feuerwehrleute Tag und Nacht gegen die Flammen. Gestern hat die EU-Kommission Flugzeuge, Hubschrauber und Brandexperten nach Griechenland, Italien, Albanien und Nordmazedonien geschickt. Europa kämpft gegen das Inferno.

Nicht jedes Buschfeuer ist eine unmittelbare Folge der Klimakrise, aber die Erderhitzung steigert das Risiko unkontrollierbarer Brände – keinesfalls nur in fernen Ländern, sondern auch hierzulande. Experten des Umweltbundesamts sagen für die kommenden Jahrzehnte ein steigendes Waldbrandrisiko in Deutschland voraus. Die Gründe liegen im Wesentlichen in erhöhten Temperaturen und Trockenheit. 

Berechnungen des Weltklimarats zufolge werden Hitzewellen, Dürren und Starkregen massiv zunehmen. Nicht nur auf ohnehin gebeutelte Länder wie Griechenland kommen dann Kosten von Hunderten Milliarden Euro zu. Es scheint nicht mehr undenkbar, dass ganze Staaten durch die Extremwetterschäden in die Pleite schlittern. Zerstörte Stadtviertel, die nicht mehr aufgebaut werden können, verlassene Felder, Zonen ohne staatliche Kontrolle: Was wir derzeit nur aus gescheiterten Staaten wie dem Südsudan oder dem Libanon kennen, ist künftig auch in Europa vorstellbar.

Und der Planet heizt sich immer weiter auf. «Im Prinzip müssen wir uns jedes Jahr auf neue Temperaturrekorde einstellen», sagt der Klimaforscher Thomas Jung vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung im Gespräch mit dem Nachrichtenportal Watson. «Wenn man das einmal losgetreten hat, muss man lernen, damit zu leben.» Das CO2 aus der Atmosphäre herauszubekommen oder die Wärme aus dem Ozean, funktioniere nicht so schnell. «Wenn man den Ausstoß der Treibhausgase heute auf null runterfahren würde, würde dieser Prozess trotzdem weitergehen», erklärt der Experte. «Der bisherige Klimawandel führt dazu, dass Extremwetterereignisse bis zu vier Grad Celsius heißer ausfallen als in präindustriellen Zeiten.» Und das sei erst der Anfang der Erwärmung: «Wenn man in die Zukunft schaut, kann man gern noch einmal sieben, acht oder neun Grad auf die jetzigen Temperaturen draufpacken. Da kommt man dann in Bereiche, wo man an die 50 Grad erreicht.» Schon in den nächsten 30 Jahren werden wir in einer anderen Welt leben als heute: «Wenn es so heiß und auch feucht wird, dass Schwitzen uns nicht mehr kühlt, ist das auch für den fittesten Menschen nicht lebbar.»

«Nicht lebbar»: Welch eine Formulierung. Sie klingt wie aus einem Backofen. Trotzdem machen fast alle Regierungen rund um den Globus immer noch zu kleine Schritte beim Klimaschutz, lassen sich viele Menschen nicht von ihrem gewohnten Konsumtrott abbringen: Morgens mit dem SUV ins Büro, Billigklamotten aus Asien shoppen, täglich Fleisch auf dem Teller, Fernreisen mit dem Flieger. Kaum sind die Länder Europas aus dem Corona-Lockdown herausgekommen, schießen die CO2-Emissionen wieder in die Höhe. Verhindern lässt sich der Temperaturanstieg nicht mehr, aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob er anderthalb, zwei oder noch mehr Grad im weltweiten Durchschnitt beträgt. Es ist der Unterschied zwischen einem Backofen und der Hölle.

Wir müssen unser Verhalten schnellstens ändern, um das Schlimmste zu verhindern: Das ist der glasklare Appell, den mehr als 14.000 Wissenschaftler soeben veröffentlicht haben. Was zu tun ist, ist seit Langem bekannt. Klimaschutz als höchste Priorität im Regierungshandeln und auf jedem internationalen Gipfeltreffen. Schnell raus aus der Kohleverbrennung. Windräder und Solaranlagen bauen, auch gegen Widerstände. Wärmedämmung und moderne Heizungen für alle Gebäude. Busse, Bahnen und Fahrradwege statt Blechlawinen in den Städten. Die biologische Landwirtschaft viel stärker fördern. Die absurde EU-Politik stoppen, die den Bau von Kohlekraftwerken in Südafrika und die Abholzung des Regenwalds in Südamerika fördert. 

All das und vieles mehr ist nötig. Es kostet Unsummen und verlangt jedem Einzelnen enorme Umgewöhnung ab. Doch die gute Nachricht ist: Wir können es schaffen, noch haben wir es in der Hand. Das darf man die Parteien im Bundestagswahlkampf gern wissen lassen. 50 Grad Hitze sollten wir uns nicht antun.

Originalartikel.